Presse

Lila Licht

Nach über zwei Jahren ist die Kurzdoku zur Sexarbeit "Lila Licht" von Anna Wagner nun für alle auf youtube zu sehen!

https://www.youtube.com/watch?v=aeP832fckHw&t=4s

Breaking Boundaries

Titel-Thesen-Temperamente

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Liebe, Sex, Zärtlichkeit – das sind Grundbedürfnisse. Aber was, wenn die Befriedigung dieser Bedürfnisse durch eine Behinderung erschwert ist? Dann kann Sexualbegleitung helfen. Doch der Beruf leidet unter einem Stigma.

Barbara [Name geändert] trifft sich regelmäßig mit einem Sexualbegleiter. Dabei gehe es ihr neben Sex vor allem um Selbstbestimmung sowie Liebe und Zuneigung, die nicht von den Eltern komme. „Die Berührungen lösen bei mir sogar Spastiken, das bedeutet Lebensqualität. Und sie sind gut für die Psyche: Seit ich mich mit Thomas treffe, bin ich selbstbewusster und habe das Gefühl, eine Frau zu sein, die gemocht wird.“

Thomas Aeffner hat sich 2017 am Institut zur Selbstbestimmung Behinderter (ISBB) zum Sexualbegleiter ausbilden lassen. Angetrieben habe ihn der Gedanke, dass es Menschen gebe, die keine körperliche Nähe bekämen. Doch in seinem Beruf sei er mit Vorurteilen konfrontiert: „In der öffentlichen Wahrnehmung wird Sexarbeit mit Zwang und Menschenhandel in einem Atemzug genannt, dabei wird die Breite dieses Berufs übersehen. Einige Bereiche der Sexualbegleitung ähneln eher einem Pflegeberuf.“

Die Treffen mit Thomas finden heimlich statt, berichtet Barbara, denn in ihrem Umfeld würde man darauf mit Unverständnis reagieren. „Das Thema ist tabu. Meine Familie hätte zu viel Angst, dass mir eine fremde Person wehtun würde.“

Für Sexualbegleitung zahlen Betroffene selbst. So werde die Befriedigung von Grundbedürfnissen zur Frage des Geldes, sagt Barbara. Aeffner sieht darin eine Ungerechtigkeit, da der gesundheitsfördernde Effekt von Sex nachgewiesen sei und andere Maßnahmen wie Yoga bezuschusst würden. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu auf ttt-Anfrage: „Die gesetzliche Krankenversicherung hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Eine Kostenübernahme oder Bezuschussung sexueller Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung würde den Aufgabenbereich übersteigen.“

Was sagt ihr? Sollten sexuelle Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung kostenlos sein?

TVV - Zeitschrift für Pflegekräfte

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TVV, eine niederländische Zeitschrift für in der Pflegekräfte schreibt in Ausgabe 6, November 2023:

Sexualpflegende - Intimität ist ein Grundbedürfnis


Sexualpflegende erfüllen ein wichtiges Bedürfnis:

Intimität mit den Klienten


Sexualität ist oft ein Tabu in Pflegeheimen oder bei Klienten zuhause. Obwohl Sexualität und Intimität normale menschliche Bedürfnisse sind, auch bei fortgeschrittenem Lebensalter. Drei Sexualpflegende erzählen von ihrer Arbeit.


Nach seiner Pensionierung arbeitete Thomas Aeffner (70) zunächst als Tantra-Masseur und dann als Sexualpfleger in Deutschland und den Niederlanden.


„Ich habe als Kunstmaler gearbeitet. Als ich in den Ruhestand ging, wollte ich weiterhin etwas für andere Menschen tun. Ich war geschieden, meine Kinder waren erwachsen und ich musste keine Hypothek mehr abbezahlen. Deshalb konnte ich tun, wofür mein Herz schlägt: Tantra-Massage. Von da an war es für mich ein kleiner Schritt, auch als Sexualpfleger zu arbeiten.

Es kam mir beängstigend vor, in ein Pflegeheim zu ziehen und dann nur noch gewaschen und angezogen zu werden. Ohne dass jemand da ist, mit dem man kuscheln, Haut auf Haut spüren oder gar Sex haben kann. Deshalb habe ich in Deutschland eine Ausbildung zum Sexualbegleiter gemacht und bin als Sexualpfleger zertifiziert. Normalerweise habe ich nicht mehr als eine*n Klient*in pro Tag und das muss auch nicht jeden Tag sein. Meine Klienten sind auch Männer aber hauptsächlich Frauen. Frauen müssen eine höhere Schwelle überschreiten, wenn sie zugeben, dass sie Sex wollen und bereit sind, dafür zu zahlen.

Wenn eine Betreuerin von einem Klienten angefasst wird, sollte sie dies nicht als etwas Persönliches betrachten und denken, dass die andere Person Sex mit ihr haben möchte. Sie sollte es als ein Signal für ein Bedürfnis nach Intimität oder Sexualität sehen und darüber nachdenken, wie das befriedigt werden kann: z.B. durch Sexualbegleitung.

Für diesen Job braucht man Einfühlungsvermögen. Schön ist es auch, wenn man mindestens Ende Zwanzig ist und Erfahrung mit der eigenen Sexualität hat. Sie müssen eine positive Einstellung zum Sex haben und mit Ihrem Körper im Reinen sein. Es ist auch nützlich, daneben einen weiteren Beruf zu haben. Denn es ist gut, wenn Sie die Freiheit behalten, einem Kunden Ja oder Nein zu sagen, und diese Arbeit nicht tun müssen, um Ihre Hypothek abzuzahlen.“

Rheinische Post, RP-online

Bei der Formulierung im Untertitel, ich hätte mein Hobby zum Beruf gemacht, habe ich schon ein wenig Bedenken. Ich habe wohl eher meine Berufung zum Beruf gemacht.
Sonst aber ein schöner Artikel der Journalistenschülerin Katharina Luxen.

https://rp-online.de/leben/gesundheit/sexualitaet/dienacktewahrheit/portraet-eines-sexualbegleiters-was-macht-er-wer-sind-seine-kunden_aid-90038573#Echobox=1688203821

Von Katharina Luxen

Küssen, Kuscheln, Händchen halten – das gehört doch einfach zum Leben dazu. Doch nicht jeder hat das Glück, einen Partner für Nähe und Zärtlichkeit zu haben. Sei es, weil er oder sie den richtigen Partner noch nicht gefunden haben oder dieser bereits verstorben ist. Dann wird Thomas Aeffner oft gerufen. Er ist Tantramasseur, Sexualbegleiter und Sexualassistent und bietet Menschen Nähe gegen Bezahlung.

Eine schwere Erkrankung und eine daraus resultierende Lebenskrise brachten den jetzt 69-Jährigen dazu, sein altes Leben komplett aufzugeben. Er entschied sich, frühzeitig in Altersrente zu gehen, sich von seiner Frau zu trennen und seine frühere Tätigkeit als bildender Künstler und Kunstlehrer aufzugeben, um gesund zu werden. Schnell stand die Frage im Raum: Was tun mit dem Rest des Lebens? Denn Spaziergänge alleine mit dem Hund sind für ihn nicht das, was er sich unter einem erfüllten Leben vorstellt.

Da Spiritualität schon immer eine große Rolle für ihn spielte, richtete er sein Leben von da an nach dem japanischen Konzept „Ikigai“ aus, was vielfach mit Sinn des Lebens übersetzt wird. „Ikigai ist, wenn man das macht, was man gerne macht und was man gut kann. Etwas, was einen Beitrag für die Gemeinschaft leistet und wofür man Wertschätzung erfährt“, erklärt er sein Verständnis des Konzepts. Und für ihn war sofort klar, für ihn ist es die Tantramassage, die er damals im Studienalter kennenlernte. Er ließ sich als Tantramasseur ausbilden und arbeitete in verschiedenen Praxen und als mobiler Masseur. Doch die Nachfrage von alten oder gehandicapten Menschen sei gering gewesen. „Niemand wusste, was Tantra ist“, sagt er.

Von der Tantramassage sei er zur Sexualbegleitung gekommen. „Ich wollte alten Menschen diese besondere Art von Nähe und liebevollem Körpergefühl und Zuwendung ermöglichen“, sagt er und ergänzt: „Selber älter werdend, fand ich es eine ganz fürchterliche Vorstellung, irgendwann alleine in einem Altersheim zu sitzen, die Menschen, mit denen man mal zusammen zärtlich war, sind nicht mehr da, sind gestorben und ich werde nur noch gewaschen, angezogen, gewindelt, gepflegt und gefüttert und das war´s.“ Es folgte die Ausbildung zum Sexualbegleiter am Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter (ISBB) in Niedersachsen in der Stadt Trebel.

Die Ausbildung zum Sexualbegleiter wird von verschiedenen Einrichtungen in Deutschland angeboten. Bei der Beratungsstelle Sandfort, die ihren Sitz ebenfalls in Trebel hat, geht die Ausbildung über sechs Wochenenden innerhalb eines Jahres und kostet 1200 Euro. Aeffner selbst bildet mit seiner Kollegin Pia Hoffmann in Duisburg Sexualbegleiter aus. Die Ausbildung beinhaltet sowohl Theorie wie auch die Praxis. Inhalte der Ausbildung sind beispielsweise Ethik, Pädagogik, Kommunikation und Sexualberatung.


Wie viele Sexualbegleiter es insgesamt in NRW gibt, wird statistisch nicht erfasst, teilt das Statistische Landesamt mit. Allerdings gibt es im Internet unter www.deva-bhusha.de/sexualbegleitung-vernetzt eine Liste von Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleitern in ganz Deutschland. Die Anzahl der in diesem Bereich tätigen Personen in NRW liegt im zweistelligen Bereich.

Nach Angaben von Oliver Schneider vom Kompetenzzentrum „Selbstbestimmt leben“ gibt es mehr Sexualbegleiterinnen als Sexualbegleiter. Die meisten seien nach seinem Kenntnisstand zwischen 20 und 60 Jahren alt. Das Kompetenzzentrum „Selbstbestimmt Leben“ ist ein Projekt des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW und setzt sich für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein.

Seit 2017 bietet Aeffner nun schon Nähe gegen Geld an. Doch als Prostituierter sehe er sich nicht, der Begriff sei zu negativ konnotiert, meint er. Sexarbeiter passe da besser, dies sei „viel unbefleckter“.

Wie die Nähe bei einem „Date“ aussieht, was passieren wird und wie es seinem Klienten seit dem letzten gemeinsamen Date ergangen ist, bespricht er vor jeder Sitzung individuell mit seinen Klienten. Seine Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Date ist dabei eine passende Chemie: „Wenn ich das Gefühl hätte, ich bin nur ein fleischgewordener Vibrator, dann wird das nichts mit mir“.

Zu ihm kommen darf jede volljährige Person, egal welches Geschlecht, ob jung oder alt, ob mit oder ohne Einschränkungen, ob Jungfrau oder mit Vorerfahrungen. Und es komme auch jeder, von der Mitte 20-Jährigen bis zur 98-Jährigen. Denn bei Aeffner gilt: „Man muss nicht alt sein oder eine Behinderung haben, um Sexualbegleitung in Anspruch zu nehmen.“

Sexualbegleitung sei dabei nicht gleich Geschlechtsverkehr, sondern das sei nur eine Möglichkeit von vielen, die er in geschützter Form anbiete, die aber längst nicht jeder Sexualbegleiter anbietet. Sexualbegleitung könne auch Händchen halten, kuscheln und füreinander da sein bedeuten. Dennoch werde er vor allem in pflegerischen Einrichtungen oft mit dem Vorurteil „Sex gegen Geld ist was schlechtes“ konfrontiert. Bezahlen lässt er sich in bar, nicht nach Leistung, sondern nach Zeit. Zwei Stunden kosten 200 Euro.

Bei der Sexualbegleitung möchte Aeffner seinen Klienten einen „sichereren Raum“ zum Lernen und Ausprobieren bieten. Sie ermutigen, von ihren Fantasien zu erzählen und herauszufinden, was sie brauchen und sich vom Partner wünschen, und sie „fit“ für eine Partnerschaft machen.

Die 33- jährige Sarah ist eine von Aeffners Klientinnen. Sie sitzt im Rollstuhl und hat Spastiken. Beziehungserfahrungen hat sie, allerdings nicht nur Positive, wie sie sagt. Zurückweisungen habe sie erfahren. Was sie sonst noch erleben musste, möchte sie nicht weiter konkretisieren, dies sei ihr einfach zu privat. Ihre Behinderung habe aber nie zu den Trennungen geführt, ist sie sich sicher. Denn ihre Ex-Partner seien ebenfalls körperlich eingeschränkt gewesen. Auf Liebe und Sex verzichten, nur weil sie gerade Single ist, will sie nicht. Sich in „jeglicher Situation ausprobieren“, das will sie und sei dabei im Internet auf die Seite von Thomas Aeffner gestoßen. „Bei der Sexualbegleitung wird einem alles gezeigt und erklärt“, sagt Sarah und ergänzt, „es ist nicht nur der reine Akt“. In einem Puff sei das anders. Dort bekäme man Sex und ginge wieder. Sarah schätzt vor allem die einfühlsame Art ihres Sexualbegleiters. Offen für eine neue Beziehung sei sie dennoch: „Das eine schließt das andere ja nicht aus.“

Der 69-Jährige sieht seinen Beruf als Berufung: „Meine Arbeit findet aus dem Herzen heraus statt.“ Seine Kinder und seine Partnerin akzeptieren seine Tätigkeit, sagt er. Seine Partnerin habe er kennengelernt, bevor er als Sexualbegleiter gearbeitet habe. Die Liebe zu seiner Partnerin ist für Aeffner besonders, anders als die „universelle Liebe“ zu seinen Klienten.

Für die Klienten ist er auch einfach mal der Zuhörer, stützt sie, wenn sie mit seiner Hilfe ihre Missbrauchserfahrungen und Traumata versuchen aufzuarbeiten, bestärkt sie bei fehlender Selbstliebe. Als Therapeut sieht sich Aeffner trotzdem nicht. In seiner Arbeit als Sexualbegleiter sieht er dennoch pädagogische und „heilende“ Aspekte.

RTL-West

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Medienprojekt Wuppertal

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Die Filmreihe »Alles Liebe 2« ist zusammen mit Menschen mit Behinderung entstanden. Die Themen der Filme sind Liebe, Sexualität und Partnerschaft: Wie war das erste Mal? Was ist eine Beziehung? Was bedeutet Liebe? Die Protagonist*innen sprechen auch über das Leben als Single, ihre Grenzen, Wünsche und Ängste. Weitere Themen sind u.a. sexuelle Aufklärung bei Menschen mit Behinderung, Bodyshaming, Tabus, Selbstbestimmung und Sexualassistenz. Im Mittelpunkt steht neben den eigenen Erfahrungen die Konfrontation mit anderen Menschen. Immer noch fühlen sich manche Menschen mit Behinderung in ihrem Sexualleben nicht ernst genommen und gesellschaftlich ausgegrenzt.

Die Filme sollen dabei mithelfen zu normalisieren, was ein Grundbedürfnis für viele ist. Die eigenen Behinderungen oder die von Partner*innen werden erst relevant, wenn Hürden oder Barrieren von außen gestellt werden. Die Filme nähern sich dem Thema konsequent aus den unterschiedlichen Perspektiven der Menschen mit Behinderung und ihrem individuellen Erleben.


"NÄHE"

Hannah und Norbert möchten ihre Sexualität ausleben und nehmen Sexualassistenz in Anspruch. Pia und Thomas sind ihre Sexualassistenten und besuchen sie regelmäßig.


"Alles Liebe 2" kann beim Medienprojekt Wuppertal (kostenpflichtig) heruntergeladen oder gestreamt werden.

Download/Stream

Kölner Stadtanzeiger

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Thomas Aeffner ist Sexualbegleiter und schläft gegen Geld mit Menschen mit Behinderungen.
Sexualbegleiter spricht über seine Arbeit „Ich muss fast nie mit Chemie nachhelfen
Von Maja Goertz 29.09.22 09:39


Zwei Stunden bezahlte Intimität. Dafür sind Thomas und Hannah heute verabredet. Thomas Aeffner ist Sexualbegleiter und schläft mit Menschen mit Behinderung, Hannah ist eine seiner Klientinnen. „Wenn du mich berührst, kann ich mich spüren. Schönheit ist kein Idealwert. Das habe ich bei dir gelernt“, hat Hannah in einem Lied über ihre Begegnung mit Thomas geschrieben.
Nach dem Ende ihrer letzten Beziehung habe sie Kontakt zu Callboys aufgenommen, erzählt die 34-Jährige. „Ich hatte zwar Sehnsüchte und Bedürfnisse, aber meine Problemzonen sind nun mal nicht alltäglich“, sagt sie. Weil Hannah eine spastische Lähmung hat, benutzt sie für längere Gespräche einen Sprachcomputer. Nachdem all ihre Anfragen abgelehnt wurden, sei eine von Hannahs Freundinnen auf die Idee gekommen, einen Sexualbegleiter zu kontaktieren. Vor drei Jahren stieß Hannah im Internet so auf Thomas.


Thomas malt seine Klientinnen
Einige Stunden vor ihrer Verabredung sitzt Thomas in seinem Studio. Auf einem Tisch in der Küche liegt ein aufgeklappter Aquarell-Malkasten, daneben eine angefangene Zeichnung. Bevor Thomas sich 2012 als Tantramasseur und fünf Jahre später als Sexualbegleitert ausbilden ließ, verdiente er sein Geld als Künstler. Was er heute zeichnet, hat mit seiner neuen Arbeit zu tun. Er blättert durch den Block, auf den Bildern sind seine Klientinnen zu sehen. „Hier.“ Er deutet auf die Zeichnung einer liegenden Frau. „Nur an den Händen sieht man, dass die Frau eine Spastik hat.“
Kommerziell male er nicht mehr, das habe ihn krank gemacht. „Ich habe mein altes Leben aufgegeben“, sagt er. „Ehe, Haus, Arbeit. Ich war damals schon recht nah an der Rente und habe überlegt, was ich noch mit meinem Leben machen möchte. Nur mit dem Hund spazieren zu gehen, war es nicht“, sagt er. Thomas ist 68 Jahre alt, hat lange graue Haare und eine dunkle, aber warme Stimme. „Bei der Tantramassage arbeitet man mit sexueller Energie, schläft aber nicht miteinander“, sagt er. Sich als Sexualbegleiter ausbilden zu lassen, sei für ihn die logische Erweiterung gewesen. Der Gedanke, dass es Menschen gibt, die niemanden mehr haben, der sie liebevoll berührt, habe ihn umgetrieben.
Anfang des Jahres hat er sich ein Studio dafür gemietet. Mitten in dem frisch renovierten Raum steht ein knapp 1.40 Meter breites Bett, das Thomas „Lager“ nennt, daneben ein Lift, mit dem Menschen aus dem Rollstuhl auf die Matratze gehoben werden können. Auf einer Kommode stehen Massageöl, Gleitmittel und kleine silberne Schatullen, in denen Kondome liegen, daneben Federn, Felle und ein Rückenkratzer mit Tigerkrallen, an der Wand hängen Flogger, kleine Peitschen. „Für spezielle Liebhaber“, sagt Thomas. „Bloß, weil jemand behindert ist, sind die sexuellen Wünsche nicht anders als bei anderen.“

Er wolle nichts extra für Menschen mit Behinderung machen, sondern ihnen die gleichen Möglichkeiten wie Menschen ohne Behinderungen bieten. Dieser Ansatz ist auf die emanzipatorische Behindertenbewegung zurückzuführen, erklärt er, gelernt habe er dies am Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter in Trebel, wo er seine Ausbildung gemacht hat.


Gefesselt werden genießen gerade Menschen mit Spastiken oft

Während er spricht, entwirrt er Seile, vor ein paar Tagen hat er damit noch jemanden gefesselt. „Gerade für Menschen mit Spastiken ist das toll“, sagt er. „Damit haben sie das Gefühl, gehalten zu sein und loslassen zu können - körperlich und emotional.“ Ein Orgasmus könne die Muskeln von Menschen mit Spastiken noch tagelang entspannen.
Nicht bei jedem Treffen hat Thomas aber auch Sex mit seinen Klienten und Klientinnen. „Dafür müssen sich beide jedes Mal neu entscheiden“, sagt er. Berührungsängste habe er nicht. „In dem Moment, in dem man zusammen im Bett liegt, werden die Menschen schön“, findet er.
Für die gemeinsame Zeit von zwei Stunden verlangt Thomas 200 Euro , das sei noch eher günstig. „Dabei bekomme ich oft das Feedback, die Zeit mit mir sei unbezahlbar.“ Erst grinst er, dann wird seine Miene ernst. „Es ist auch eine Frage, wer sich das leisten kann. Wer in einer Behindertenwerkstatt einen Euro am Tag verdient, muss lange sparen“, sagt er. Krankenkassen übernehmen keine Kosten für Sexualbegleitung, auch wenn das immer wieder in der Diskussion steht. Weil es sich nicht um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handelt, müssen die Kosten selbst getragen werden, so Christian Arns von der Debeka.
Vor dem Gesetz gilt Thomas als Sexarbeiter. Ihm ist aber wichtig klarzustellen: „Ich verkaufe nicht meinen Körper. Ich verkaufe eine Dienstleistung.“
Seine weiblichen Kolleginnen haben es damit schwerer als er, erzählt er. „Sie werden oft mit Stigmata und Vorurteilen konfrontiert.“ Er selbst bekomme eher auf die Schulter geklopft. Sex sieht er als Grundbedürfnis. Eines, für das man auch Geld bezahlen kann.


Und was, wenn sich eine verliebt?
Trotzdem, Gefühle können auch dabei entstehen. Thomas nimmt in Kauf, dass sich seine Klient:innen in ihn verlieben, das sei schon häufig vorgekommen. „Beim ersten Treffen stelle ich immer klar, dass es niemals etwas anderes sein wird als eine Dienstleistung“, sagt er.
Private Sexualität fühle sich für ihn ganz anders an als die berufliche. Es gehe dabei nicht um seine, sondern um die Bedürfnisse seiner Klienten und Klientinnen. Seine Freundin und seine Kinder akzeptieren seinen Beruf. „Sie nehmen mich wie ich bin“, sagt er.


Kondome, Lecktücher und „Magic Pills“

Dann sieht er auf die Uhr, steht auf und holt sein „Zauberköfferchen“. Darin ist alles, was er für die Zeit mit Hannah, die er heute zu Hause besucht, brauchen könnte. Kondome, Lecktücher, eine Dose mit „Magic Pills“. „Das sind Pfefferminzbonbons“, lacht er. Für Notfälle hat er aber auch andere Pillen, also Viagra, dabei. „Ich muss aber fast nie mit Chemie nachhelfen“, sagt Thomas.
Im Auto klemmt er sein Navi in die Halterung und gibt Hannahs Adresse ein. Knapp achtzig Kilometer fährt er zu ihr, für seine Arbeit ist er in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs. Am Spiegel baumelt ein Traumfänger. Auf einem geraden Stück Straße sagt Thomas, jetzt sei ein guter Moment, um zu beten. Das macht er als Ritual vor allen Treffen. „Liebes Universum“, beginnt er. „Ich danke dir für diesen wunderschönen Tag und für mein Leben.“ Diese Worte hat Thomas schon oft gesprochen. „Ich bitte dich auch heute bei Hannah, dass ich das mache, was auf ihrem Weg richtig ist. Dein Wille geschehe. Amen“, schließt er.

Meist fühle er eine freudige Erwartung vor den Treffen, nervös sei er kaum noch. „Gerade wenn das tolle Menschen sind.“ Dann macht er eine Pause. „Aber die meisten Menschen sind toll.“
Er erzählt, dass schon häufig Frauen zu ihm gekommen seien, die noch nie sexuellen Kontakt hatten. „Ich biete einen sicheren Raum, in dem man alles ausprobieren kann“, sagt er. Das erste Mal mit jemandem zu erleben, sei immer etwas besonderes.
Nach etwa einer Stunde Fahrt parkt er hinter dem Haus, in dem Hannah lebt. Auch wenn sie eine feste Verabredung haben, sei das, was geschieht, immer spontan. Einer seiner liebsten Momente sei es, nach dem Sex Arm in Arm dazuliegen. „Dann ist die Seele offen. Oft werden mir dann sehr persönliche Dinge erzählt“, so Thomas.
Als er die Treppe hinaufgeht, wartet Hannah schon in der Tür. Ihre Wohnung ist bunt eingerichtet, an den Decken hängen Tücher, an den Wänden selbstgemalte Bilder, auf dem Balkon eine buddhistische Gebetsfahne. Hannah sitzt im Rollstuhl, sie trägt ein gemustertes Kleid, dazu eine gelbe Strumpfhose. Auf ihren Augenlidern schimmert fliederfarbener Lidschatten. Zur Begrüßung umarmen sie sich lange.


Küssen, lachen, streicheln

„Ich freue mich, dass er da ist. Aber ich bin auch ein bisschen aufgeregt“, erzählt sie. Die Treffen mit Thomas seien für sie wie eine Auszeit. „Auch wenn ich mir einen festen Partner wünsche, kann es auch schön sein, wenn jemand alle zwei Monate kommt, man schöne Stunden miteinander hat und er wieder geht“, sagt sie. Dann gehen sie ins Schlafzimmer.
Auch Hannah hat einen Traumfänger, er baumelt über dem Bett. Thomas setzt sich auf die Bettkante und legt seine Stirn an Hannahs. Die zwei Stunden Intimität beginnen. „Ich küsse dich heute nicht auf den Mund, ich bin ein bisschen erkältet“, flüstert Thomas. „Oh“ murmelt Hannah. Dann hilft er ihr aufs Bett, beide lachen, schauen sich in die Augen. Von Hannahs Nervosität ist nichts mehr zu spüren. Thomas beginnt über ihre Beine zu streicheln.
Zwei Stunden später zieht Thomas sein Sweatshirt wieder über den Kopf und steigt in seine Cowboy-Boots. Der Lidschatten auf Hannahs Augen ist verschwunden. Beide sehen entspannt aus, lächeln. „Es war schön“, sagt Hannah. Thomas wartet, lässt immer zuerst Hannah sprechen. „Sehr intensiv für Herz und Haut“, fügt er dann hinzu. Was genau die beiden gemacht haben, behalten sie für sich.


Hannah spart zwei bis drei Monate auf Thomas
Thomas zu bezahlen, findet Hannah nicht mehr seltsam. „Ich weiß ja, dass er das Geld bekommt. Das ist normal“, sagt sie. Zwei oder drei Monate spart sie für die Treffen mit Thomas. Dafür hat sie einen Plan aufgestellt, wann sie Geld, was sie bei ihrer Arbeit im Büro einer Behindertenwerkstatt verdient, zur Seite legen muss.
„Die Scheine sind nie frisch aus dem Automaten, sondern immer ein bisschen zerknittert. Dass das so persönlich ist, finde ich schön“, sagt Thomas. Die Geldübergabe macht er immer in bar, als symbolischen Akt.
Zur Verabschiedung umarmt Thomas Hannah noch einmal. „Bis bald“ flüstert er in ihre roten Haare und wirft ihr einen Luftkuss zu, bevor er die Tür öffnet. Daneben hängt ein Schild, das Hannah aufgehängt hat. Darauf steht: „Hier wohnt das Glück.“

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Bei aller Liebe

Michelle Kox

Thomas Aeffner arbeitet seit 2016 als zertifizierter Sexualbegleiter und liebt seinen Job.

Foto: Sabrina Scheffer

https://www.waz.de/staedte/gladbeck/sexualbegleiter-wie-ist-es-koerperliche-naehe-beizubringen-id235975417.html


Gladbeck. Thomas Aeffner verhilft Menschen zu sexuellen Erfahrungen. Im Gespräch mit der WAZ Gladbeck berichtet er über seinen Job als Sexualbegleiter.



Vor wenigen Wochen hat die WAZ Gladbeck über Fabian berichtet, ein Gladbecker mit Downsyndrom, der Sexualbegleitung erhält.

Der 68-jährige Thomas Aeffner aus Schwalmtal arbeitet seit 2016 als zertifizierter Sexualbegleiter. Er lebt in einer Partnerschaft und hat zwei erwachsene Kinder. Sein Arbeitsalltag besteht daraus, Frauen zu sexuellen Erfahrungen zu verhelfen, bei denen – solange sie volljährig sind – das Alter keine Rolle spielt. „Wir bleiben sexuelle Wesen bis zu unserem Tod“, erklärt Aeffner im Interview mit der WAZ Gladbeck und berichtet von seiner außergewöhnlichen Tätigkeit.

Mit dieser Folge endet die Serie „Bei aller Liebe“.


Herr Aeffner, wie würden Sie ihren Job beschreiben?

Sexualbegleitung ist eine besondere Form der Sexarbeit. Es kann pädagogische Aspekte haben, muss es aber nicht. Das kommt darauf an, wofür die Dienstleistung angefordert wird. Sexarbeit und Therapie überschneiden sich an dieser Stelle. Die gesetzliche Erlaubnis, uns Therapeuten zu nennen, haben wir aber nicht. Streng genommen ist es also kein therapeutischer Beruf. Trotzdem kann er emanzipatorische und stärkende Auswirkungen auf die Seele oder den Körper nehmen. Das, was wir da tun, hilft den Klienten dabei, sich zu entwickeln, Selbstbewusstsein aufzubauen und überhaupt dazu fähig zu werden, sexuelle Beziehungen aufzubauen.

Also bieten Sie die Sexualbegleitung nicht nur für beeinträchtigte Menschen an?

Nein. Es geht vielmehr um Inklusion, also dass keine Sonderwege für Menschen mit Behinderung gebildet werden. Es soll alles ermöglicht werden, um sie am normalen Leben teilnehmen zu lassen. Somit gilt das Angebot für alle Menschen. Allerdings ist jeder Sexualbegleiter in seiner sexuellen Selbstbestimmung völlig frei und darf selbst entscheiden, welche Klienten er oder sie annimmt und was mit ihnen getan wird.

Wer nimmt Sexualbegleitung in Anspruch?

In meinem Fall sind es Frauen mit oder ohne Einschränkungen, die oftmals auch mit ihrem Selbstbewusstsein kämpfen. Jede Frau hat immer irgendwas an sich auszusetzen, weil sie selten irgendwelchen Idealen aus Sendungen wie „Germanys Next Topmodel“ entspricht. Sie können sich vorstellen, dass das Gefühl der Wertlosigkeit, bei Frauen, die eine Behinderung haben, oftmals noch viel stärker ist, wenn der Körper schief ist, die Beine kurz sind oder die Gesichtsmuskulatur nicht kontrolliert werden kann.

Und Sex hilft ihnen dabei, das Gefühl der Wertlosigkeit abzulegen?

Die Erfahrung einer liebevollen Begegnung zu jemandem kann sehr hilfreich sein. Es ist wie ein Beweis dafür, dass der eigene Körper zum Geschlechtsverkehr fähig und damit völlig in Ordnung ist. Da kann bereits ein einziges Treffen einen großen Unterschied machen.

Nun wissen Ihre Klientinnen aber, dass die Situation inszeniert ist und sie Geld dafür zahlen. Kann das denselben Effekt haben, wie wenn man mit jemandem schläft, der sich auch selber bewusst dazu entschieden hat?

Ich bin natürlich nur der Übungspartner. Mit mir kann man kennenlernen, was alles möglich ist und zwar deutlich gefahrloser. Bei mir muss man keine Angst davor haben, etwas Falsches zu tun oder zu sagen und damit seine Beziehung zu gefährden. Dennoch lege ich großen Wert darauf, respektvoll behandelt zu werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es meine Aufgabe, den Klientinnen zu erklären, dass sie anders mit mir umgehen müssen. Dass es eine bezahlte Begegnung ist, muss immer wieder klar gemacht werden, weil es sich eben nicht immer danach anfühlt.

Ist es Ihnen denn schon mal passiert, dass sich eine Klientin in Sie verliebt hat?

Ja, aber auch das ist ein Learning und hier kommt es auf klare und ehrliche Kommunikation an. Wir können uns schließlich nicht aussuchen, in wen wir uns verlieben. Es gehört auch zum normalen Mensch-sein dazu, dass wir uns unglücklich verlieben.

Was unterscheidet ihren Job zu anderen Formen der Sexarbeit?

Mich nervt diese Abgrenzung von meiner Tätigkeit zur „normalen“ Sexarbeit. Wir kämpfen alle mit starken Vorurteilen gegenüber meinen Kolleginnen, die das anbieten, was man unter „normaler“ Sexarbeit versteht. Das ging mir lange Zeit auch so. Ich hatte immer einen Stereotyp im Kopf, bis ich Frauen aus dem Bordell kennengelernt und festgestellt habe, dass diese Stereotypen nicht zwingend zutreffen. Auch sie haben viele Kunden, die immer wieder kommen, ihnen ihr Herz ausschütten und durch sie an Selbstvertrauen gewinnen.

Wie läuft eine Sexualbegleitungssitzung ab?

Das ist völlig individuell und abhängig von den Wünschen und Bedürfnissen der Klientinnen. Man führt ein intensives Vorgespräch, in dem diese geäußert und auch die Grenzen von beiden Seiten aufgezeigt werden. Hier wird auch klar definiert, ob es überhaupt zum Sex kommen soll. Nach der Sitzung führt man ein Nachgespräch und spricht darüber, ob beim nächsten Mal irgendwas anders verlaufen soll oder sich neue Wünsche entwickelt haben.

Macht Ihnen die Sitzung selber Spaß?

Der Geschlechtsverkehr ist für einen Mann natürlich schwierig, wenn er da nicht auch selber Spaß dran hat. Ich würde es nicht tun, wenn ich es doof fände und wenn ich bei einer Person keine Erektion erleben kann, dann muss ich das ehrlich kommunizieren. Dann gibt es keinen penetrativen Sex, aber das ist ja eh nur eine Möglichkeit, Sex zu haben. Um meinen Spaß geht es aber nicht.

Was sagen Ihre Kinder und Ihre Partnerin zu Ihrem Job?

Meine Kinder sind in einem Künstler-Haushalt groß geworden. Sie sind es gewohnt, dass ihre Eltern Dinge tun, die andere Eltern nicht tun. Von daher hat es sie nicht besonders überrascht. Sie wollen bloß nicht mit allzu vielen Details belästigt werden. Mit meiner Partnerin sieht das ähnlich aus. Wir waren schon zusammen, bevor ich Sexualbegleiter geworden bin und sie hat natürlich nicht „Juhu“ geschrien, als es dazu kam, aber sie liebt mich so, wie ich bin. Und diese Arbeit ist ein Teil von mir.

Gerade ist dieser Podcast online gegangen.
Er öffnet hoffendlich bei vielen Menschen die Augen und Herzen und baut Vorurteile ab.
Vorurteile gegenüber Menschen mit Einschränkungen aber auch Vorurteile gegenüber Sexarbeit.


Beschreibung der Folge

Im Raum ist es dunkel und warm. Ich sitze gegenüber einem Bett. Dort kuscheln Hannah und Thomas - und ich fühle mich wie ein Eindringling. Schließlich bekomme ich gerade einen Einblick in eine total intime Situation, die aber auch noch etwas Anderes ist: Eine Dienstleistung. Denn Hannah bezahlt Thomas für Sex und Nähe. Nähe, die sie sich so sehr wünscht.
Hannah ist körperlich behindert und hat lange nach jemanden gesucht, der mit ihr gemeinsam ihre Sexualität ausleben will. Zuerst hat sie den Gedanken komplett abgelehnt, jemanden für Sex zu bezahlen. Aber irgendwann war der Druck bei ihr so hoch, dass sie im Internet nach Sexualbegleitern gesucht hat. Also Menschen, die Sex gegen Geld anbieten - aber speziell für Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung.
In dieser Folge darf ich bei einem Treffen zwischen Hannah und ihrem Sexualbegleiter Thomas dabei sein. Hannah hat mir erzählt, dass sie glaubt, wir als Gesellschaft sprechen Menschen mit einer Behinderung oftmals ihre Sexualität und Lust ab. Ich will wissen, wieso sie das denkt - und wie die Treffen mit Thomas sie und ihr Selbstbewusstsein verändert haben.



zum Podcast

                           AKKU, Magazin der Lebenshilfe Minden

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De Limburger

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Kurier

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Apropos

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sai Magazin

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Die beiden jungen Journalisten haben für den Artikel im GO-Magazin den Inklusionspreis des Landes Niedersachsen im Bereich Medien erhalten!

 

Sie schrieben mir diese Nachricht:

 

Lieber Thomas,
herzlichen Glückwunsch an dich und Christine! Wir haben heute tatsächlich für die Go-Reportage den 1. Platz beim Inklusionspreis Niedersachsen
2019 im Bereich Medien erhalten. Wir widmen euch den Preis, da ohne eure Offenheit die Geschichte nicht möglich gewesen wäre. Wir sollen euch von der Jury größten Respekt aussprechen: Ihr seid ein Wegbereiter für dieses (leider noch immer) Tabuthema.
Vielen Dank!


Zum Artikel

Falls der Link (wie bei mir gerade) nicht funktioniert, hier zur Sicherheit der ganze Text:


Sexualbegleitung ist eine spezielle Form der Sexarbeit. Sie richtet sich an Menschen, die besondere Schwierigkeiten haben, ihre Sexualität zu leben – die noch wenig bis gar keine oder aber sehr negative Erfahrungen gemacht haben. Vor Kurzem haben wir in diesem Interview die Sexualbegleitung aus der Sicht einer Sexualbegleiterin beleuchtet.

Aber wie fühlt sich Sexualbegleitung für die Klient*innen an? Was bringt Menschen dazu, eine*n Sexualbegleiter*in zu buchen? Und kann Sexualbegleitung für die Klient*innen mehr sein als ein Ersatz für sexuelle Erfahrungen, für die sie nicht bezahlen?

Christine, die ihren Nachnamen für sich behalten will, sitzt aufgrund einer Tetraplegie, einer spastischen Lähmung ihres linken Armes und ihrer Beine, im Rollstuhl. Sie lebt in einem ambulant betreuten Wohnen für Menschen mit Behinderung.

Bevor die heute 53-Jährige einen Platz im betreuten Wohnen fand, lebte sie mit ihrem heutigen Ex-Mann zusammen. 13 Jahre war sie verheiratet. Eine Zeit, an die sie gar nicht gerne zurückdenkt. Über Details will sie nicht sprechen, zu dunkel die Erinnerungen: "Das war die schlimmste Zeit, die ich in meinem Leben erlebt habe. Das war ganz, ganz furchtbar."

In ihrer eigenen Wohnung mit Betreuer*innen, die etwa zwei Mal die Woche für ein paar Stunden vorbeikamen, fühlte sie sich zunächst sehr wohl. Sie fühlte sich frei, brauchte keine Angst mehr zu haben, wie sie berichtet. Doch dann stieg ein anderes Gefühl in ihr auf. "Ich habe immer öfter in meiner Wohnung gesessen und mir gedacht: Du hast alles, du kannst machen, was du willst, aber irgendwie fehlt was. Der Kreis schließt sich noch nicht. Da ist noch eine Lücke", erzählt Christine.

Zwar war sie froh, ihrer toxischen Ehe entkommen zu sein – und doch wollte sie wieder einem Mann körperlich nah sein. Sie hatte schon davon gehört, dass es Sexualbegleiter*innen gibt – Menschen, die andere Menschen ohne oder mit negativen Erfahrungen gegen Bezahlung in eine positive Sexualität begleiten – und überlegte, ob die Begegnung mit einem solchen Mann etwas für sie sein könnte. Recherchieren am Computer fällt ihr schwer, da sie, seitdem sie als Kleinkind einen Wasserkopf hatte, stark sehbehindert ist. Also fasste sie all ihren Mut zusammen und sprach ihre Betreuer*innen an. Christines Betreuerin versprach, sich schlau zu machen.

Die schwierige Suche nach einer Partnerin

"Mit ungefähr 25 habe ich gemerkt: Hoppla – ich habe ja auch sexuelle Sehnsüchte", erzählt Torsten Pickert, der heute 41 und wie Christine seit seiner Geburt körperbehindert ist und im Rollstuhl sitzt. In den Jahren zuvor hatte er versucht, seine Sehnsüchte zu ignorieren. Zu schmerzhaft schien ihm ihre vermeintliche Unerfüllbarkeit. Aber mit 25 konnte Torsten sie nicht mehr verdrängen. "Ich habe angefangen, unter meinem fehlenden Sexualleben zu leiden. Das hat mich krank gemacht", berichtet er. "Ich war gefühlt 250 Tage im Jahr krank und habe jeden Infekt mitgenommen", so Torsten.

Nachdem ihm bewusst geworden war, worunter er litt, wollte Torsten Frauen kennenlernen. Eine Suche, die sich so schwierig gestaltete, dass er sie schließlich in einem Buch niedergeschrieben hat, das im letzten Jahr erschien. Liebe (un)möglich?!? erzählt die Geschichte eines Mannes im Rollstuhl, der sich nach Intimität, Sex und Liebe sehnt. Es ist Torstens Geschichte. Die große Frage des Buches wird bereits im Titel gestellt: Ist Liebe für einen Mann mit Behinderung möglich? Und wie ist sie möglich?

"Ich habe versucht, Mittel und Wege zu finden, das für mich umzusetzen, und bin vor alle möglichen Wände gelaufen", berichtet er. Die Frauen, die er kennenlernte, mochten ihn. Als Freund. Als Mann? Daran dachten sie oft gar nicht, glaubt Torsten. Mit einigen Frauen saß er Stunden in Cafés zusammen, führte lange und ausschweifende Gespräche. Aber was für ihn ein Flirt war, war für sein Gegenüber das Gespräch mit einem guten Freund. "In vielen Fällen habe nicht mal einen Korb gekriegt, weil ich gar nicht als potenzieller Partner betrachtet wurde", so Torsten. Vielleicht sah er sich auch selbst zu wenig als potenziellen Partner und hatte zu viele Fragezeichen im Kopf, ob er überhaupt für eine Frau attraktiv sein könnte. Wer weiß.

Ehe er sich versah, waren Jahre vergangen. Plötzlich stand sein dreißigster Geburtstag kurz vor der Tür. Noch immer hatte er keine Freundin. Noch immer keine sexuellen Erfahrungen. Für Torsten der Punkt, an dem er entschied, mit der Hilfe eines Freundes ins Bordell zu gehen. "Ich wollte meinen ersten Sex unbedingt vor meinem Dreißigsten haben", erzählt er.

Im Rückblick sagt er: "Es war eigentlich nicht das, was ich wollte." Er habe zwar Sex mit einer Frau gehabt, aber wonach er sich eigentlich sehne, hätte er im Bordell nicht erfahren können.

Christine sucht einen Sexualbegleiter aus

Eine Woche nachdem sich Christine ihrer Betreuerin anvertraut hatte, kam diese mit dem Laptop in den Händen zu ihr: "Ich habe was gefunden." Sie hatte bei Google das Stichwort "Sexualbegleitung" eingegeben und war auf zwei Männer in Deutschland gestoßen, die dieses Angebot anbieten.

Christine musste sich also entscheiden: Mit welchem der beiden Männer wollte sie in einen näheren Kontakt treten? Und konnte sie sich überhaupt vorstellen, mit einem der beiden intim zu werden? Die Auswahl von zwei Anbietern ist ja nicht gerade üppig. Christine und ihre Betreuerin schauten sich Fotos der zwei Männer an. Einer der beiden schied sofort aus, denn er hatte eine Glatze. "Ich mag halt Männer mit langen Haaren", sagt Christine. Den anderen Sexualbegleiter fand sie attraktiv. Sein lockiges, schulterlanges Haar gefiel ihr sofort.

Aber das Äußere war Christine nicht genug, um zu entscheiden: Will ich diesen Mann treffen? Noch zu viele unbeantwortete Fragen schwirrten ihr durch den Kopf. "Ich habe mir gedacht: Du kaufst keine Katze im Sack. Du willst natürlich wissen: Was ist das für ein Mensch? Was macht der? Wie arbeitet der?", erzählt sie. Christine begann mit dem Sexualbegleiter zu mailen. Dieser beantwortete alle ihre Fragen und nicht nur das: Er gewann ihr Vertrauen. "Mir war relativ schnell klar: Diesen Menschen möchtest du auf jeden Fall mal sehen. Ich war gespannt: Mal gucken, was passiert, wenn er dir wirklich gegenüber sitzt", erzählt Christine.

Torsten wollte etwas Neues ausprobieren

In Torstens Leben vergingen wieder Jahre. Er zog von seinen Eltern in eine eigene Wohnung. Mittlerweile war er Mitte 30. Nicht mehr seine Eltern unterstützten ihn in seinem Alltag, sondern Assistent*innen. Ein wichtiger Schritt. Und doch noch immer nicht der Schritt zu einer Freundin. Sein Bedürfnis nach körperlicher Nähe wurde wieder einmal sehr groß. Noch einmal ins Bordell zu gehen, schied für ihn aber aus. "Damals habe ich mir gedacht: Das Bordell war es jetzt irgendwie nicht. Also probierst du mal was anderes", so Torsten. "Sexualbegleitung – das Wort hatte ich immer mal wieder gehört", erzählt er.

Schnell fand er eine Anbieterin, deren Homepage ihm zusagte, deren Äußeres ihm zusagte. Torsten nahm Kontakt auf, per Messanger. "Das ging dann relativ schnell. Ich habe sie erst einmal angeschrieben, habe mich kurz vorgestellt und dann haben wir ein paar Mal hin und her geschrieben", erinnert sich Torsten. Bald stand ein Termin zum gegenseitigen Kennenlernen fest.


So was habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt: So angenommen zu sein. So ernst genommen zu werden. So Frau sein zu dürfen.

         Christine


Auch Christine fand einen Termin, den Sexualbegleiter ihrer Wahl zu treffen. Er sollte sie das erste Mal besuchen kommen, ihr gegenüber sitzen – vielleicht auch mehr. "Er hat das Kennenlernstunde genannt", erinnert sie sich. Sie war ziemlich nervös und wollte ihre Betreuerin beim ersten Treffen dabeihaben. Es hätte ja sein können, dass man sich nicht sympathisch gewesen wäre, dass die Chemie nicht gestimmt hätte.

Aber Christines Befürchtungen verflogen sehr schnell: "Es hat keine zehn Minuten gedauert, da war mir klar: Eine*r von uns dreien ist hier jetzt überflüssig. Und das war nicht der Sexualbegleiter." Christine gab ihrer Betreuerin ein Zeichen, sich zurückzuziehen.

Es begann eine Beziehung, die bis heute anhält. Aus dem unbekannten Mann aus dem Internet wurde eine der wichtigsten Personen in Christines Leben. Aus dem Sexualbegleiter wurde Christines Sexualbegleiter. Sie treffen sich schon über Jahre: Etwa alle drei Wochen besucht der Sexualbegleiter Christine in ihrer Wohnung, um mit ihr intim zu werden.

Wenn Christine von den Treffen mit ihrem Sexualbegleiter erzählt, gerät sie ins Schwärmen: "Es ist einfach nur wunder-, wunderschön. So was habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt: So angenommen zu sein. So ernst genommen zu werden. So Frau sein zu dürfen." Für sie ist die Beziehung zu ihrem Sexualbegleiter hoch emotional. Sie vertraut ihm wie keiner anderen Person. "So tief und so innig habe ich noch keinem Menschen vertraut", sagt Christine.


Es ist eine Dienstleistung. Es wird immer eine Dienstleistung bleiben.

         Christine

 

Befürchtet sie nicht manchmal, zu starke Gefühle zu entwickeln? Auf diese Frage reagiert Christine gelassen: "Ein Gefühl braucht sich nicht mehr zu ergeben. Das hat sich schon ergeben. Schon sehr schnell." Sie fügt hinzu: "Von meiner Seite, wohlgemerkt." Für ihren Sexualbegleiter sind die Treffen mit ihr schließlich sein Job, der ihm Spaß macht, für den er aber auch Geld nimmt. Das weiß Christine. Am Ende jedes Treffens bezahlt sie ihn in Bar. Eine Erinnerung. Eine Grenze. Mit der sie aber gut leben kann.

"Es ist eine Dienstleistung. Es wird immer eine Dienstleistung bleiben", sagt Christine. Es ist keine Liebesbeziehung. Zumindest nicht beidseitig. Das wird nie passieren – das hat ihr ihr Sexualbegleiter vorsichtshalber direkt am Anfang gesagt. Aber das will Christine auch gar nicht. Sie will keine Partnerschaft. Nicht zu ihrem Sexualbegleiter, nicht zu einem anderen Mann. Die Termine mit ihrem Sexualbegleiter als das, was sie sind – intime Treffen auf Zeit mit einem Anfang und einem Ende – sind genau das, was Christine braucht, um als Frau glücklich zu sein. "Wir haben eine wunderschöne Zeit zusammen. Und wenn diese Zeit zu Ende ist – das hört sich jetzt kalt und grob an – aber wenn diese Zeit zu Ende ist, geht jede*r seinen*ihren eigenen Weg. Und keine*r ist dem*der anderen irgendeine Rechenschaft schuldig." Das genießt Christine. Alles andere würde sie belasten.


Wir haben uns kennengelernt. Wir sind uns begegnet. Wir haben versucht, rauszufinden: Wer ist der*die andere? Was wollen wir gemeinsam erleben?

         Torsten Pickert


Auch für Torsten war der erste Termin mit der Sexualbegleiterin eine erfüllende Erfahrung, aus der noch viele weitere Treffen mit der Frau folgen sollten. Im Unterschied zu seinem ersten Mal im Bordell beschreibt er die Treffen mit der Sexualbegleiterin als eine authentische Begegnung: "Wir haben uns kennengelernt. Wir sind uns begegnet. Wir haben versucht, rauszufinden: Wer ist der*die andere? Was wollen wir gemeinsam erleben?"

Zweieinhalb Stunden ging das erste Treffen mit der Sexualbegleiterin. Und selbst das war eigentlich viel zu kurz. Der erste Termin fand bei ihr statt: Torsten lag neben ihr auf einer Matratze am Boden. Sie haben gesprochen. Sie haben sich ausgezogen. Sie haben sich berührt. Sogar geküsst. Es gab Momente, in denen er vergaß, dass er für die Zeit mit dieser Frau, die er so schön fand, bezahlte.

In Torstens Buch Liebe (un)möglich?!? wird die nicht gelebte Sexualität des Protagonisten als eine klaffende Wunde beschrieben. Auch der Autor selbst, Torsten, hat seine nicht gelebte Sexualität als Wunde erlebt. Konnte die Sexualbegleitung diese Wunde heilen?


Ich glaube, ohne die Erfahrung von Sexualbegleitung hätte ich noch zehn Jahre länger gebraucht, um dazu zu stehen, dass ich sexuelle Bedürfnisse habe und dass es in Ordnung ist, dass ich sie habe.

         Torsten Pickert



Die Treffen mit der Sexualbegleiterin waren für Torsten Entwicklungsschritte. Er ist gereift als Mensch, als Mann. "Ich glaube, ohne die Erfahrung von Sexualbegleitung hätte ich noch zehn Jahre länger gebraucht, um dazu zu stehen, dass ich sexuelle Bedürfnisse habe und dass es in Ordnung ist, dass ich sie habe", sagt er. Und doch ist für ihn die Sexualbegleitung – anders als für Christine – keine Dauerlösung. "Sexualbegleitung kann nur der erste Schritt sein", findet Torsten. Er hat sie mittlerweile abgebrochen. Die Sexualbegleitung geriet für Torsten an ihre Grenzen.

Während die Grenzen der Sexualbegleitung für Christine genau das sind, was ihr Sicherheit gibt, sind sie für Torsten eine latente Erinnerung daran, was die Sexualbegleitung nie wird sein können: Der Ersatz für eine*n Freund*in.

Torsten kam es irgendwann so vor, als ob die Treffen mit der Sexualbegleiterin seine Wunde eigentlich nicht schließen, sondern vielmehr weiter öffnen würden: "Je mehr Sexualbegleitung ich genutzt habe, umso mehr Lust bekam ich und umso offener wurde ich, Dinge auszuprobieren." Dinge, die er nicht mit einer Sexualbegleiterin ausprobieren kann, sondern von denen er hofft, sie eines Tages mit einer Partnerin ausprobieren zu können. Denn Torsten findet: "Jenseits der Sexualbegleitung gibt es noch ganz viele andere wunderbare Dinge, die man als Mensch mit Behinderung erkunden dürfen sollte."


Sexualbegleitung. Sexualität für Menschen mit Beeinträchtigungen. Anja Drews spricht mit Thomas Aeffner

In unserer Gesellschaft gibt es Menschen, für die eine selbstbestimmte und selbstermächtigte Sexualität nicht möglich ist. Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung oder auch alten Menschen fehlt oft der Zugang zu gleichberechtigten Liebespartner*innen. Trotzdem ist da diese Sehnsucht nach körperlicher Berührung, nach Intimität und Erotik. Sexualbegleiter*innen unterstützen in einem respektvollen und geschützten Rahmen erste Versuche oder begleiten über einen längeren Zeitraum bei der Erfüllung sinnlicher Wünsche. 

In dieser Folge spreche ich mit dem ausgebildeten Sexualbegleiter, Tantramasseur und Künstler Thomas Aeffner über seinen Arbeitsalltag, liebevolle Begegnungen, Chancen in Einrichtungen und die aktuelle Gesetzgebung zum Thema Prostitution. Denn wenn sich ein Sexkaufverbot durchsetzt, wird auch diesen Menschen die Chance auf eine gleichberechtigte Sexualität genommen. Wie Thomas sagt, erleben Menschen mit Behinderung sich in diesen intimen Begegnungen manchmal zum ersten Mal als Frau oder als Mann und nicht als geschlechtsneutrale behinderte Person.



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